Fotografie - Natur, Kultur und Geschichte
von Gruiten

Berlevåg – Stadt am Eismeer

  • Berlevåg

Die mit "P" gekennzeichneten Orte haben wir besucht.

Die Gemeinde Berlevåg liegt auf 70° nördlicher Breite. Folgt man dem Breitengrad in westlicher Richtung, durchquert er die menschenleeren Eismassen von Grönland, streift danach die Nordspitze Alaskas, und über den nördlichen Teil von Sibirien erreicht er schließlich Berlevåg, den nördlichsten Punkt der Varanger Halbinsel. Hier oben im Norden Europas herrschen arktische Bedingungen. Nur der Golfstrom, der die Küste ständig mit warmen Wasser umspült, ermöglicht es den Menschen, ein normales Leben zu führen. Trotz der starken Schneefälle und Frosteinbrüche während des Winters bleiben die Häfen an der Küste eisfrei. So ist eine Versorgung mit den notwendigen Gütern immer gewährleistet. Der wichtigste Erwerbszweig der 1100 Einwohner der Gemeinde Berlevåg ist die Fischereiindustrie. Die meisten Gemeindemitglieder arbeiten in der Fischverarbeitung, in der Verpackungsindustrie und im Handel.

Eine ansehnliche Fischereiflotte sorgt für ständigen Nachschub. In den letzten Jahren sind die Königskrabben, die aus dem sibirischen Raum eingewandert sind, zu einem neuen ertragreichen Geschäftszweig angewachsen. Für den Lebensbedarf der Bevölkerung sorgen zwei Supermärkte, ein Haushaltswaren-, ein Möbel- und ein Sportgeschäft. Touristisch ist die Varangerhalbinsel noch nicht überlaufen, aber in den letzten Jahren wurde einiges getan, um diesen Wirtschatszweig anzukurbeln.

Informationen findet man im Internet unter https://www.berlevag.kommune.no

Die Landschaft um Berlevåg hat geologisch und botanisch einiges zu bieten. Im Küstenbereich streben Felszacken zum Himmel – nicht sehr hoch, aber bizarr. In den höher gelegenen Regionen wirkt die Landschaft karg und steinig. Sie scheint leblos. Trotzdem schaffen es sehr niedrich wachsende, aber widerstandsfähige Pflanzen, in dieser polaren Region zu überleben. Die Gewässer im Gebirge sind reich an Fisch. Einige Gebirgsflüsse gehören mit zu den besten Lachs-Angelplätzen Norwegens.

Im äußeren Teil des Kongsfjords leben seltene Seevögel. Im inneren Bereich haben sich Seehunde angesiedelt. Schneehühner sind in der Bergwelt zu Hause, und entlang der Küste haben die Rentiere ihre Sommerweiden.

Für Besucher der Region gibt es viel zu entdecken. Auf markierten Wanderwegen kann man diese einzigartige Natur erleben. Einen Einblick in Kultur und Geschichte wird im Hafenmuseum von Berlevåg übermittelt. Im kleinen Ort Kongsfjord, der zur Gemeinde Berlevåg gehört, erfährt man in einem kleinen Museum Wissenswertes über die Königskrabbe. Heftig og Begeistret (Heftig und Begeistert), so lautet das Motto des beliebten Männerchors aus Berlevåg. Der norwegische Regisseur Knut Erik Jensen schuf vor einiger Zeit den Film mit gleichem Namen. In kurzer Zeit erreichte der Männerchor in Norwegen Kultstatus. Durch Reisen nach Russland und Amerika wurde der Chor international bekannt.



Wir haben eine ausgezeichnete Übernachtungsmöglichkeit im Berlevåg-Pensjonat gefunden. Hier fühlen wir uns wohl und familiär aufgenommen, dürfen wir doch die Küche mit anderen Gästen teilen, uns im Ess- und Aufenthaltsraum selbst verpflegen oder mit einem Frühstück verwöhnen lassen. Auch die geliebten Waffeln am Abend fehlen beim gemütlichen Erfahrungsaustausch mit den Wirtsleuten und Gästen nicht.
Berlevåg war nicht der einzige Grund, der uns so weit in den Norden der Varanger-Halbinsel geführt hat. Die Einsamkeit und die Kargheit der Landschaft erleben, an der Küste des Eismeers (Barentssee) stehen, wo schon der Name eine besondere Klangfarbe beinhaltet, war unser Ziel. Schon die großen Polarforscher und Entdecker, die Norweger Fridtjof Nansen und Roald Amundsen so wie der Schwede Nils Adolf Erik Baron Nordenskjiöld, haben auf der Suche nach der Nordost-Passage und dem Nordpol dieses Meer mit ihren Schiffen befahren.
Um einen ersten Eindruck zu bekommen, machen wir am Spätnachmittag bei regnerischer Kälte einen Spaziergang durch Berlevåg. Der Ort scheint kaum Bewohner zu haben, es ist menschenleer. Einige Autos fahren langsam auf der einzigen Straße, die durch den Ort führt und in Store Molvik endet. In der Mitte der Ortschaft erhebt sich die Kirche am Hang, umgeben von bunten Holzhäusern. Eine Gedenktafel erinnert an die Menschen, die im Meer umgekommen sind. Auf der gegenüberliegenden Seite liegt der Hafen. Am Kai haben Fischerboote vor den etwas älteren und vom rauhen Klima gezeichneten Lagerhäusern festgemacht.

Berlevåg ist ein typischer Küstenort, der auf die Bedürfnisse der Bürger zugeschnitten ist und der den klimatischen Bedingungen standhalten muss.


Berlevåg ist aber auch ein Ort mit einer verhängnisvollen und tragischen Vergangenheit. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurde auch hier vor dem Abzug der deutschen Besatzungsmacht die Taktik der verbrannten Erde angewandt. Die Bewohner hatten alles verloren und konnten nur noch ihr eigenes Leben retten. Es muss ein unglaublicher Wille vorhanden gewesen sein, den Ort neu aufzubauen. Es gab keine funktionierende Infrastruktur. Man lebte ja fast am Ende der Welt. Holz, Steine und andere Baumaterialien mussten von weit her herangeschafft werden und das alles unter extremen klimatischen Bedingungen. Wir empfinden tiefe Hochachtung vor dieser Leistung.


 


Tanahorn – 270 Meter hoch mit grossartigem Blick über Land und Barentssee

  • Die alte Opferstätte der Samen – das Tanahorn


Am nächsten Morgen werden wir von der Sonne geweckt. Heute wollen wir eine Wanderung zum Tanahorn unternehmen. Wir fahren mit dem Auto und folgen der Straße durch den Ort, vorbei am kleinen Flugplatz in Richtung Store Molvik. Nach etwa neun Kilometern erkennen wir ein kleines Schild mit der Aufschrift Tanahorn. Wir parken das Auto und folgen dem markierten Wanderweg. Der vielleicht einzige Polizist von Berlevåg kommt uns entgegen und wünscht uns eine gute Tour. Recht schweigsam gehen wir langsam an einem Bachlauf bergauf (Bild 1); erst durch üppige Vegetation, dann über karges, kalkhaltiges Geröll. Nur ab und zu stellt sich hier eine Zwergbirke dem harten Überlebenskampf (Bild 2). Der Aufstieg ist vier Kilometer lang und dauert etwa eine Stunde. Dann haben wir das Tanahorn (Bild 3) eine alte Opferstätte der Samen, erreicht. Wir stehen jetzt 269 Meter über dem Meeresspiegel und genießen bei gutem Wetter die wunderbare Aussicht übers Meer und den Fjord. Im Westen verbindet sich der Tanafjord mit der Barentssee, und wir bekommen einen ersten Eindruck von unserem nächsten Ziel, der Nordkinn-Halbinsel. Im Osten ist die steile Küste, die Berlevåg vor den Gefahren des Meeres schützt, zu sehen. Der Blick nach Süden vermittelt einen Eindruck von der unglaublich kargen Natur der Varanger-Halbinsel. Wir nehmen uns viel Zeit, um eine vorher nie gesehene Landschaft zu verinnerlichen. Nach dem Eintrag ins Gipfelbuch, das in einem Briefkasten neben der Varde, Steinpyramide am Gipfel, aufbewahrt wird, kehren wir mit einer Fülle von neuen Eindrücken zurück zum Auto .





Bild 1: Blick über den Tanafjord zur Nordkinn-Halbinsel

Bild 2: Der Tanafjord

Bild 3: Blick nach Süden auf eine karge Bergwelt

Bild 4: Blick nach Osten auf die Küste vor Berlevåg

Store Molvik – ein verlassener Fischereiort in der Molvikbucht

  • Store Molvik

Wir wollen weiter und den verlassenen Fischerort Store Molvik besuchen. Daher folgen wir der Sandstraße in südwestlicher Richtung und erreichen nach etwa neun Kilometern Store Molvik. Hier endet die Straße. Früher wohnten an dieser Stelle Fischer mit ihren Familien und legten Netze im Tanafjord aus. Heute ist der Ort, bis auf ein Haus und einige zum Teil verfallene Fischerhütten, verlassen. Auf einem Gestell baumeln Netze im Wind und am Ufer liegen verstreut einige Boote, die wohl nur noch zum Freizeitfischen benutzt werden. Von Store Molvik aus besteht die Möglichkeit, am Ufer in nördlicher Richtung zu wandern. Endpunkt ist der Parkplatz am Tanahorn. Die Entfernung beträgt ungefähr neun Kilometer. Über Steine und kleine Felsvorsprünge zu laufen, ist allerdings sehr beschwerlich, daher ist dieser Weg nur geübten Wanderern zu empfehlen. aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa 

  • Store Molvik. Das Ufer ist übersät mit Kieselsteinen und Steinplatten. Der Ort liegt bei Molvikbukta auf der Ostseite des Tanafjords in einem Tal, etwa 20 Kilometer südwestlich des Zentrums von Berlevåg. Ein kommunaler Feldweg von Berlevåg ist im Sommer geöffnet, und im Winter gibt es entlang der Straße eine genehmigte Schneemobilpiste.


Sandfjord – echter Sandstrand am Eismeer

  • Sandfjord
  • Ein in Jahrhunderten entstandener echter Sandstrand auf der Varangerhalbinsel.

Nachdem wir die Ostseite der Varanger-Halbinsel kennengelernt haben, fahren wir auf der Eismeerstraße in südlicher Richtung bis zum Strand von Sandfjord. Auf der kurvenreichen Strecke sieht man fast nur ehr dunkle fast schwarze Felsflanken, die spitz in den Himmel ragen. Plötzlich taucht in einer Bucht ein Strand mit feinem Sand auf. Man schaut verwundert und sucht nach einer Erklärung. Regen, Wind und Wellen sind die Baumeister. Durch Erosion zerfällt der Fels in kleinste Teile. Dabei entsteht Sand, der vom Regen ausgewaschen und vom Wind an die Küste geblasen wird. Dort bleibt er in Vertiefungen liegen. Sedimente, die von den Wellen und der Strömung angespült werden, füllen den Strand auf.

  • Bizarre Felsformationen an der Eismeerstraße

Kjølnes fyr – ein Ort mit besonderer Ausstrahlung

  • Kjølnes fyr


Kjølnes fyr. Auf der Rückfahrt nach Berlevåg kommen wir am Kjølnes Leuchtfeuer vorbei. Es wurde 1916 erbaut und 1994 automatisiert. Auf einem Felsvorsprung steht der mächtige Turm mit dem kleinen roten Lichthaus. Die massive Bauweise ist notwendig, um Stürmen mit haushohen Wellen standzuhalten. Die Barentssee kann unbarmherzig sein. Die Ballade Kjølnesvisa, aus der Finnmark, die vor dem 17. Jahrhundert geschrieben wurde, berichtet von einer Burg, die hier gestanden haben soll. Sie war möglicherweise die Residenz eines Finnenkönigs. Wir können bestätigen, dass Kjølnes fyr ein Ort mit besonderer Ausstrahlung ist.



  • Blick nach Süden auf die Küste der Varanger-Halbinsel. Beeindruckend ist der weite Blick über die Barentssee und den Küstenbereich der Varanger-Halbinsel. Als besonderes Geschenk empfinden wir die Lichtspiele, die in Nordnorwegen häufiger zu sehen sind und unser Fotografenherz höherschlagen lassen. Trotz aufziehender dunkler Regenwolken verlassen wir nur ungern diesen Ort.


  • Bild 1: Regenwolken ziehen über Berlevag auf
  • Bild 2 und 3: Lichtspiele, die in Nordnorwegen häufiger zu sehen sind

Der letzte Abend in Berlevåg

  • Der letzte Abend


Noch einmal besuchen wir die 1973 fertiggestellte Mole, die den Hafen vor Sturmfluten schützt und der Hurtigrute die Möglichkeit bietet, dort anzulegen. Mit einem Gewicht von 10 bis 25 Tonnen säumen riesige Tretrapoden die Mole. Sie können bis zu zehn Meter hohe Wellen brechen. Wir genießen die Abendstimmung, den Blick auf Berlevåg und bewundern die waghalsigen Flugmanöver der Möwen. Der Rückweg hält noch eine Überraschung bereit. Auf einer ebenen Fläche finden wir in großer Anzahl Silberwurz. Die Pflanze fühlt sich auf Kalk- und Dolomitfelsen besonders wohl, ein Untergrund, der auf Varanger häufig vorkommt. Die Blütezeit ist vorüber, aber die federartig behaarten Fluggrannen sind ein Meisterwerk der Natur und leuchten in der Abendsonne.



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Copyright Text und Fotos E. u. P. Westerwalbesloh

 
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