Fotografie - Natur, Kultur und Geschichte
von Gruiten

Saintes-Maries-de-la-Mer – ein Traum wird Wirklichkeit

  • Die Küste bei Saintes-Maries-de-la-Mer
  • Parkplatz direkt am Meer


Der Beginn eines Traumes

Bei dem Besuch eines berühmten Fotografen für Portraits und Dokumentationen hatte ich den ersten indirekten Kontakt zu Saintes-Maries-de-la-Mer. Er hatte die Camargue besucht, um die Prozessionen mit der schwarzen Sara und den beiden Marienfiguren Maria Kleophae und Maria Salome zu dokumentieren. Seine Bilder waren beeindruckende authentische Dokumente; alle schwarz-weiß fotografiert mit einem hohen künstlerischen Anspruch. Bei der Betrachtung hatte ich sofort das Gefühl vor Ort zu sein. Diese Begegnung hat mich nicht mehr losgelassen.

Zu der Zeit war die lange Reise nach Südfrankreich in die Camargue noch ein kleines Abenteuer. Allein der Name Saintes-Maries-de-Mer war wie Musik in meinen Ohren. Ich wäre am liebsten sofort hingefahren, aber die Südfrankreich war für mich zu der Zeit unerreichbar.

Jahrzehnte später wurde mein Traum Wirklichkeit. Zusammen mit unseren französichen Freunden bekamen meine Frau und ich die Möglichkeit Saintes-Maries-de-Mer zu besuchen. Es war nicht die Zeit der Prozessionen, sondern ein ganz normaler Wochentag.

Unsere Fotos sind an nur einem Tag entstanden und erheben keinen künstlerischen Anspruch. Sie geben nur unsere persönlichen Eindrücke wieder.



Die Tour beginnt

Saintes-Maries-de-la-Mer ist eine Gemeinde mit etwa 2200 Einwohnern im französischen Département Bouches-du-Rhône, einem Teil der Region Provence-Alpes-Côte d’Azur.

Auf einem großen Platz direkt am Mittemeer stellen wir das Auto ab. Nur der Sandstrand trennt uns vom kühlen Wasser. Nach einer kleinen Stärkung in einem gemütlichen Restaurant beginnt unser Gang durch die Stadt. Das Ziel ist die Kirche Notre-Dame-de-la-Mer.

Zu Beginn unserer Tour sind die Straßen groß und breit. Rechts und links heben sich die weiß gestrichenen Häuser mit den ockerfarbigen Dächern wunderbar vom blauen Himmel ab. Schnell erreichen wir einen wichtigen Platz des Ortes, den Place des Gitans mit dem Sitz der Stadtverwaltung, dem "Hôtel de Ville". Die Front des Rathauses wirkt nicht übermäßig groß, aber der blendend weiße Anstrich hebt das Gebäude aus der Umgebung hervor. Die Vorderseite wird von drei Pfeilern auf denen drei Rundbögen ruhen durchbrochen. Die Innenseite ist ockerfarben gestrichen. Ein schattiger Ort, von dem man den Blick über den Platz schweifen lassen kann. Dabei steht die Kirche Notre-Dame-de-la-Mer mit dem seltsam geformten Glockenturm wieder im Mittelpunkt.

In die Altstadt werden die Straßen enger, kleine Geschäfte bieten Obst und Gemüse aber auch Bekleidung und andere Accessoires an. Häusern sind mit kirchlichen Symbolen geschmückt, vielleicht ein Hinweis auf tiefe Volksgläubigkeit??

Wenig später haben wir den Place de l'Église mit der Kirche erreicht. Mein persönlicher Wunsch diesen geschichtsträchtigen Ort zu erleben geht in Erfüllung.

  • Schon im 6. Jahrhundert muss hier eine Kirche gestanden haben, denn sie wurde im Testament des heiligen Cesarius, Erzbischof von Arles, erwähnt. Im 9. Jahrhundert wurde die erste Wehrkirche errichtet, die Kirche im heutigen Zustand wurde im 12. Jahrhundert vollendet. Notre-Dame-de-la-Mer wurde als Klosterkirche gebaut. Das ursprüngliche Gotteshaus aus Bruchsteinen besaß nur ein einschiffiges Langhaus. Im 14. Jahrhundert wurde eine Befestigungsmauer mit Zinnen und errichtet, also eine Wehrkirche gebaut. Da der Ort als Wallfahrtsstätte zum Besuch der Krypta mit der Schwarzen Sara wachsende Bedeutung erlangte, wurde in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts das Langhaus nach Westen hin verlängert. (Quelle Wikipedia)

Wir haben Glück. Notre-Dame-de-la-Mer erstrahlt in neuem Glanz. Kurz zuvor wurde der Schmutz von Jahrhunderten entfernt und der Innenraum renoviert.

Vor dieser Kirche zu stehen ist ein besonderes Erlebnis. Sie ist nicht riesig groß, wirkt aber durch die Bauart mit massiven Steinen sehr mächtig. Glatte Wände, kaum Fenster und mächtige Zinnen auf dem Dach unterstreichen den Anspruch auf eine Wehrkirche. Wahrscheinlich musste man sich genauso wie in Maguelone vor feindlichen Angriffen, die vom Meer kamen, schützen.

Vom Place de l'Église aus hat man einen guten Überblick über das Bauwerk und die Umgebung. Rundherum warten Cafés, Geschäfte und Souvenirläden auf Kundschaft. Kleine, flach geschnittene Bäume spenden Schatten. Es herrscht ein überschaubares Treiben. Eine Frau, die mir die Zukunft voraussagen will spricht mich an. Das lehne ich aber dankend ab.



Das Herz von Notre-Dame-de-la-Mer

Beim ersten Blick durch den seitlichen Eingang ins Innere der Kirche stellen wir fest, dass sehr viele Menschen das Kirchenschiff gerade bevölkern. Es sind Touristengruppen, die an Führungen teilnehmen. Also heißt es warten. Etwas später öffnen sich die Türen am Haupteingang.

Das Kirchenschiff entspricht einer hohen Halle mit einer tonnenförmigen Decke. Das ganze wird von starken Säulen getragen. In der Verlängerung des Kirchenschiffs befindet sich der erhöhte Chorbereich, darunter ist die Krypta mit den Reliquien und der Statue der heiligen Sara. In einer Fensteröffnung oberhalb des Chores werden die Reliquien der Maria Kleophae und Maria Salome aufbewahrt. Zur Zeit der Prozession werden sie mit Hilfe von langen Seilen in den Chorraum heruntergelassen. Auf der linken Seite der Kirche sehen wir in einer Nische die Barke mit den beiden Heiligenfiguren Maria Kleophae und Maria Salome.

Alles wirkt auf den ersten Blick relativ schlicht und einfach. Trotzdem wird die Wirkung von Frömmigkeit und Ehrfurcht nicht verfehlt. Viele kleine Details, wie zum Beispiel die Treppe zum Altarbereich mit einem schmiedeeisernen Handlauf, oder die sehr schöne Marienfigur an der Säule zum Aufgang, ein wunderbares Kruzifix vor dem Chor und der Altarraum selbst, sind Schmuckstücke.

In der Krypta mit der Statur der heiligen Sara ist es unglaublich warm. Viele angezündete Kerzen sorgen für hohe Temperaturen. Die Figur der Sara ist mit kostbaren Stoffen in Form von Mänteln und Umhängen geschmückt. Hinzu kommen wertvolle Ketten und Schmuckstücke. Auf dem Kopf trägt sie eine goldene Krone besetzt mit Perlen. Alles Dankesgaben von Gläubigen und Bewunderern. 



Geschichte / Legende

  • Der Legende zufolge wurden die Heiligen Maria Kleophae und Maria Salome von Christenverfolgern auf einem Boot ohne Segel und Ruder ausgesetzt. Sie wurden nach einem Schiffbruch an die Küste der Provence gespült und gerettet. Im Boot sollen auch Maria Magdalena und Sara, die schwarze Dienerin, gewesen sein. Während die anderen weiterzogen, um fernere Gegenden zu evangelisieren, blieben die beiden schon älteren Marien, die Mütter der Apostel Jakobus und Johannes, an diesem Küstenabschnitt, der dann nach ihnen benannt wurde: Saintes-Maries-de-la-Mer. Ihre Reliquien ruhen in Schreinen in der Kirche Notre-Dame-de-la-Mer.

Die Maiwallfahrt

Ende Mai jeden Jahres treffen sich Angehörige der Roma und Sinti um ihrer Patronin, der Schwarzen Sara, zu huldigen. Saintes-Maries-de-la-Mer wird für eine Woche zu einem riesigen Wohnwagenlager. Man schätzt das über 50.000 Pilger den kleinen Ort besuchen. Für die verschiedenen Volksgruppen ist die Wallfahrt ein Fest des Wiedersehens. Das ganze Jahr ist man unterwegs und zu diesem Ereignis trifft man sich. Viele Roma und Sinti sind gläubig. Die Mehrheit ihrer Kinder werden zu diesem Anlass in der Kirche Notre-Dame-de-la-Mer  getauft. 

Die Prozession zur Verehrung Saras kam erst im Laufe des Zweiten Weltkriegs auf und die „Zigeunerwallfahrt“ hat mittlerweile die traditionellen Marienwallfahrten in den Schatten gestellt. Dass die Roma sich mit der Schwarzen Sara identifizieren, liegt vermutlich nicht nur an der dunklen Hautfarbe, sondern auch an ihrer angeblichen Herkunft aus Ägypten. Den nicht sesshaften Volksgruppen wurde in Vorzeiten die gleiche Herkunft nachgesagt. Der Legende nach sicherte Sara durch Betteln das Überleben der drei Marien.

Prozession der Schwarzen Sara

Am 24. Mai beginnt die Prozession zum Meer, die vom Erzbistum Aix betreut wird. An der Spitze reitet ein Dutzend Gardians, die Cowboys der Carmargue, auf den weißen Camargue-Pferden. Von der alten Wehrkirche wird die hölzerne Sara-Statue von vier Männern auf den Schultern einmal zum Meer und zurückgetragen, begleitet von mehreren tausend Menschen. Der Statue sind mit Pailletten und Stickereien verzierte Umhänge umgebunden, so dass der Kopf gerade noch herausschaut. Am Meer wird sie ins Wasser getragen und von den Gläubigen mit Meerwasser bespritzt. Dann geht es zurück in die Kirche, wo ein Abendgebet abgehalten wird. Anschließend wird in den Gassen der Stadt noch bis in die Nachtstunden gefeiert.

Prozession der Maria Kleophae und Maria Salome

Der darauffolgende Tag, der 25. Mai, ist den beiden Heiligen des Dorfes gewidmet: Maria Kleophae und Maria Salome werden in einer Prozession feierlich zum Meer getragen. Dies zur Erinnerung an die Ankunft der Heiligen mit dem Boot um das Jahr 45 und der ersten Evangelisierung der Provence. Die Barke mit den Statuen wird umringt von der Menge der Gläubigen aus der Umgebung in ihren traditionellen Trachten. Auch hierzu kommen Pilger aus der ganzen Welt. Während beider Tage finden in der Kirche viele Gottesdienste und Gebete statt. Ihr Reliquienschrein wird an diesem Tag vom Obergeschoss der Kirche auf den Altar herabgelassen.

Die Oktoberwallfahrt

Die zweite Wallfahrt findet an dem Sonntag statt, welcher dem 22. Oktober am nächsten liegt. Die Feierlichkeiten ähneln denen vom Mai mit Gottesdiensten und Reliquienverehrung sowie der Prozession am Sonntagmorgen mit der Barke zum Meer.


Der Tag geht zu Ende

Eine touristische Attraktion soll nicht unerwähnt bleiben. Welcher Kirche kann man schon aufs Dach steigen? Hier ist das möglich. Ein Wendeltreppe führt auf das Dach, das mit festen Steinplatten belegt ist. Man muss nur etwas beweglich sein, darf keine Höhenangst haben, dann ist man sehr schnell auf dem Dachfirst und hat eine wunderbare Aussicht auf Stadt und Umgebung.

Langsam machen wir uns auf den Rückweg. Dabei kommen wir an der Stierkampfarena vorbei, die fast in Strandnähe liegt. Hier werden die Stiere nicht nach spanischer Art getötet. Beim Course Camarguaise (französischer Stierkampf) versuchen die Kämpfer mit Schnelligkeit und Geschick dem Stier ein Band zwischen den Hörnern zu entreißen. Dies ist die unblutige Art des Stierkampfes. Trotzdem gibt es bei dieser Art des Wettkampfes immer wieder Verletzungen, teilweise auch sehr schwere. Um schnell reagieren zu können ist neben der Arena ein Sanitätsstation eingerichtet.

Der Weg am Strand entlang zum Auto ist entspannend. Wir haben sehr viel gesehen und gelernt. Mein persönlicher Wunsch ist in Erfüllung gegangen. Danke an unsere Freunde.



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Quellen für Daten und Fakten Wikipedia.

Text und Fotos copyright E. u. P. Westerwalbesloh

 
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